top of page

Es ist ein wunderbarer Frühlingstag im Mai 2024. Draußen scheint die Sonne. Die Blumen fangen an zu blühen. Die Kinder spielen mit wilden Stimmen ihr Spiel. Ansonsten hört man nur die Vögel. Ich habe gerade meinen Kaffee draußen in der Sonne getrunken. Ein Sonntag wie so viele Sonntage in meinem und so vielen anderen Leben.

 

Noch vor einer halben Stunde habe ich Einblick in ein ganz anderes Leben erhalten. Ein dunkles, einsames, von Schmerzen, Angst und Traurigkeit geprägtes Leben. Das Leben meiner Schwester. Der Einblick: eine 15-minütige Sprachnachricht, die sie mir um 21:53 Uhr des Vorabends geschickt hat. Wie inzwischen an fast jedem Abend, nachdem sie ihr Beruhigungsmittel für die Nacht eingenommen hat und der Körper ein kleines bisschen Kommunikation zulässt.

 

Meine Schwester Diane erkrankte im März 2022 an Covid-19 und erholte sich nie wieder davon. Dies ist die Geschichte eines Menschen, der aus dem Leben gerissen wurde und doch nicht tot ist. Von dem Leid ihrer Kinder und von einer Versöhnung zweier Schwestern. Von Hilflosigkeit, Tränen und der monströsen Fratze einer Erkrankung, die in so vielen Facetten beängstigend ist.

 

Meine Schwester, eigentlich Halbschwester, und ich hatten nie viel Kontakt. Der Altersabstand zu groß, die Leben zu unterschiedlich. Und eines Tages die Antwort unseres Vaters, als ich mich nach Diane erkundigte: Sie hat sich bisher nicht von ihrer Covid-Erkrankung erholt. Es ist Anfang September 2022 und ich melde mich nach etlichen Jahren Höflichkeitsnachrichten zu Weihnachten und Geburtstagen außerhalb der Reihe bei ihr. Denke noch, das sich das ganze mit Erholung und ein bisschen Netflix oder einem Hörbuch regeln lässt. Am 06. September 2022 startet unsere gemeinsame Geschichte mit einer Sprachnachricht.

​

bottom of page